Baltikum Radtour 2011

 

17.08.2011

Am Abend schnüre ich mein Radtaschenpaket. Da ich pro Packstück € 30,00 zahlen muss, ich aber drei Fahrradtaschen habe, packe ich sie zu einem Paket zusammen, wickle alles in eine starke Folie ein und verzurre es mit vier Spanngurten.

 


18.08.2011

Um 3.00 Uhr klingelt mein Wecker und ich mache ihn noch zweimal aus, bevor ich aufstehe. Mein Flieger startet um 7.25 Uhr. Ich bekomme einen Fensterplatz und die beiden Plätze neben mir bleiben frei. Pünktlich um 7.25 Uhr heben wir ab Richtung Riga.



Laut Plan sollen wir um 10.15 Uhr in Riga landen. Ich habe zwar keine Uhr, aber als der Flieger zum Sinkflug ansetzt, kommt es mir nicht vor, als ob wir schon fast drei Stunden geflogen sind.  In der Halle mit den Gepäckbändern schaue ich auf eine andere Uhr und sehe, dass es 9.30 Uhr ist. Also sind wir hier eine Stunde zurück. Ich baue mein Rad zusammen, mache ein paar Fotos und ab geht´s Richtung Innenstadt, mein Hostel suchen.




Central Hostel


Stadtrundgang in Riga


Auf der Spitze des 19 Meter hohen Obelisken befindet sich die 9 Meter große Allegorie der Freiheit, eine Statue, die die Selbständigkeit Lettlands verkörpert. Die drei Sterne in den Händen der weiblichen Figur Milda symbolisieren die drei historischen Regionen Lettlands - Kurzeme(deutsch: Kurland), Vidzeme (deutsch: Livland) und Latgale(deutsch: Lettgallen).


Marktplatz von Riga


Die Autokennzeichen kommen mir bekannt vor

Platz der Liven

Haus der kleinen Gilde

(der Handwerker)


Das Schwarzhäupterhaus (haus der unverheirateten Kaufleute) 

Nationalbibliothek


19.08.2011

Die Nacht war durchwachsen. Habe eigentlich ganz gut geschlafen. Um 9.00 Uhr stehe ich auf, ziehe mich an und gehe in die kleine Küche, wo das Frühstück stehen soll. Dort sitzen an einem Tisch bereits zwei Personen, mehr passen auch nicht dran, und zwei andere machen sich gerade ihren Kaffee oder Tee. Da ich nicht weiß, was ist jetzt für alle und was ist privat von den Mitbewohnern, man kann sich abends nämlich dort selber etwas kochen, gehe ich ohne Frühstück wieder auf mein Zimmer. Um 9.30 Uhr nehme ich meinen Rucksack und laufe zu den Markthallen von Riga. 


Markthallen

Mein nächstes Ziel ist die Petrikirche. Da habe ich gestern Menschen auf dem Turm gesehen. Als ich die Kirche betrete, höre ich schon Konzertmusik. Vor dem Altarraum steht ein 

großes Orchester und spielt sagenhaft. Dazu singt ein Mann. Dann wird die Musik leise und ein älterer Mann erzählt etwas. Dann wieder Musik. Mal traurig, mal fröhlich und mal als ob etwas Schreckliches passiert wäre. Das Ganze erinnert mich an das Herr der Ringe Konzert in Trier. Ich bleibe eine ganze Weile sitzen und höre gespannt zu. Anschließend sehe ich, dass man mit dem Fahrstuhl auf die Plattform des Kirchturms fahren kann. Ich zahle €3,00 und ab geht’s nach oben. Im ersten Moment habe ich weiche Knie. Aber der Ausblick auf Riga lenkt mich schnell davon ab. 

Petrikirche



Blick von der Petrikirche über Riga

Mit der Bahn nach Jurmala, dem angesagtesten Kurort in Lettland





20.08.2011

Es hat die ganze Nacht bis gegen 8.00 Uhr geregnet und manchmal regelrecht geschüttet. Ich traue mich gar nicht aufzustehen, um die Gardinen aufzuziehen. Als ich es aber doch mache, sehe ich zwischen den Regenwolken teilweise kleine blaue Flecken. Um 9.00 Uhr gehe ich in die kleine Küche und überlege, ob ich frühstücken soll. Ich entscheide mich schweren Herzens gegen einen Kaffee, weil ich nicht weiß, aus welchem Fach ich welchen Kaffee nehmen darf. Dafür schnappe ich mir eine kleine Schüssel und befülle sie mit Cornflakes und Milch, die für jeden auf dem Tisch stehen. Ich setzte mich an einen Tisch auf dem Flur und esse sie wortlos auf. Anschließend bringe ich meine Schale in die Küche und muss feststellen, dass hier jeder sein Geschirr selber abwaschen muss. Nach dem Großabwasch packe ich meine Sachen in die Fahrradtaschen, packe alles auf mein Rad. Durch den Regen in der letzten Nacht stehen einige Teile des Radwegs völlig unter Wasser und ich fahre ganz langsam durch, da ich nicht sehe, ob sich in dem überschwemmten Bereich irgendwelche Löcher befinden. Vor einem geschlossenen Bahnübergang stehe ich fast eine halbe Stunde im Regen, bis der blöde Zug, der auf dem Übergang steht, endlich weiterfährt.


In Camikava kaufe ich in einem großen Supermarkt einen gebratenen Hähnchenschenkel und drei Sesambrötchen, setzte mich auf eine Bank in einem Park und mache eine Pause. Dann geht es weiter nach Saulkrasti, wo ich heute übernachten möchte. Es geht fast 18km auf der Via Baltika lang. Sie ist die Europastraße 67 und ist eine Fernverkehrsstraße, die Prag, Breslau und Warschau über Kaunas, Riga und Tallinn (Fähre) mit Helsinks verbindet. Sie ist damit die wichtigste Straßenverkehrsverbindung Nordosteuropas. Dementsprechend fahren dort auch viele LKW´s. Ich habe einen ca. 30 cm breiten Streifen, auf dem ich fahren kann. Wenn aber so ein LKW mit 80 oder 90 Sachen an mir vorbei rast, und ich aufpassen muss, dass ich durch den Windstoß nicht ins Schlingern komme, bekomme ich jedes mal ein flaues Gefühl im Magen, wenn ich hinter mir so ein Ungetüm höre. 


Gegen 15.45 Uhr komme ich in Saulkrasti an und sehe auch sofort ein Schild mit dem Hinweis zum Hotel Marve. Ich gehe rein und frage die Dame hinter dem Tresen: „I need a single room for one night, you have one?” „Yes“, sagt sie, „The price is 25,00 LVL (€35,35).“ „Ok“, sage ich. 


Das Zimmer ist ganz schön. Es hat sogar zwei Räume und einen Fernseher. Das ist immer das Erste, was ich ausprobiere. Welche Programme bekommen die hier rein? In diesem Fall gibt es nur lettisches Fernsehen. Kurz danach mache ich mich auf den Weg zum Strand. Es ist ein Naturstrand, das heißt, hier gibt es keine Liegen oder Buden, an denen man etwas kaufen kann. Im hinteren Bereich zum Wald, liegen Äste rum, es gibt ein paar Feuerstellen und ein Boot. Ich laufe eine halbe Stunde den Strand lang  und gehe dann zum Hotel zurück. 


Gegen Abend gehe ich ins italienische Restaurant, das sich im Hotel befindet. Es ist total schlicht eingerichtet und mit Italien hat das hier mal gar nichts zu tun und ich bin der einzige Gast. Ich bekomme die Speisekarte, die auf Englisch, Russisch und ich nehme mal an auf Lettisch verfasst ist. Da ich nicht so großen Hunger habe, bestelle ich eine Soljanka und ein Omelette mit Käse und Schinken und eine Cola. Ich gehe davon aus, dass ich eine normale Suppentasse bekomme, da die Suppe nur 2,80 LVL kostet. Darum habe ich noch das Omelette dazu bestellt. Als allerdings der große Pott Suppe kommt, überlege ich kurz, ob ich das Omelette wieder abbestelle, was mir dann aber doch zu peinlich ist. Die Suppe schmeckt echt lecker. Ich bin schon gut gesättigt, da bringt mir die Bedienung das Omelette. Schmeckt auch nicht schlecht und ich muss nach jedem Bissen mit Cola nach spülen, weil das Ding ganz schön stopft. Dann ist Schluss. Ich schaffe nur die Hälfte. Wieder auf dem Zimmer angekommen mache den Fernseher an, um ein bisschen bedudelt zu werden, auch wenn ich nichts verstehe. Heute bin ich 49 km gefahren.

21.08.2011

Bin heute schon gegen 7.00 Uhr aufgewacht, bleibe aber bis 8.00 Uhr noch im Bett. Dann krieche ich raus und gucke aus dem Fenster. Kein Regen. Ich putze mir die Zähne und gehe zum Frühstücken. Wieder in das italienische Restaurant. Wie am Abend, bin ich auch heute Morgen der erste. Es ist ein kleines Buffet aufgebaut. Es gibt Weißbrot, Schwarzbrot, Wurst, Käse, Schinken, Cornflakes, Hüttenkäse (sieht jedenfalls so aus), Obst, Rührei und etwas, das aussieht wie Rührei, aber erbrochenes Rührei. Dazu Tee, Kaffee, Saft und Milch. Keine Marmelade. Ich nehme mir einen Kaffee, Weißbrot und Wurst. Um 9.30 Uhr sattle ich mein Rad und fahre auf einem Radweg neben der Hauptstraße Richtung Zvejnieciems. Ab Zvejnieciems muss ich wieder auf der Via Baltica weiter fahren. Die ersten zwei bis drei Kilometer geht es noch gut mit den LKWs, aber dann kommen doch welche. Die dürfen hier tatsächlich sonntags fahren. So ein Mist. In Jelgavkrasti an einer Cafeteria würde ich gerne einen Kaffee trinken, aber leider hat sie zu. Dann müssen eben wieder die Weihnachtskekse her. Dazu gibt es Wasser.


Pause an der geschlossenen Cafeteria

In meiner Karte ist eine alternative Strecke entlang der Küste eingezeichnet, die aber unbefestigt ist. Schlimmer als auf der Via Baltica kann es ja nicht sein, denke ich und nehme die Strecke in Angriff. Es lässt sich wunderbar fahren, ich muss nur auf die Schlaglöcher aufpassen, die dann und wann auftauchen. Dann sehe ich das Meer und radle immer daran entlang. Vorbei an Ferienhäusern aus Holz oder Stein, die auf offenem Feld stehen oder im Wald versteckt.


Da ich immer das Meer sehe und es auch recht warm ist, habe ich Lust zu baden. An einer Wiese halte ich an und schiebe mein Rad bis zu dem Sandweg, der zum Strand runter führt. Ich schnappe mir mein Stativ, ein Handtuch und überlege, wo meine Badehose ist. Da ich es nicht so genau weiß und nicht alles durchwühlen möchte, entscheide ich mich dafür in Unterhose zu baden. Als ich am Strand ankomme, kann ich Kilometerweit nach rechts und links gucken. Keine Menschenseele weit und breit. Ich baue mein Stativ auf, schraube den Fotoapparat drauf und ziehe mich aus. Wie gesagt, keine Mensch weit und breit. Warum dann die Unterhose nass machen denke ich und ziehe sie aus. Dann drücke ich den Selbstauslöser meines Fotoapparates und habe zehn Sekunden Zeit, um in das ca. 19 C° kalte Wasser zu kommen. Wenn ich zu lange brauche ist mein nackter Hintern auf dem Bild und das möchte ich vermeiden. Ich schaffe es sogar zwei Fotos zu machen. Das Wasser ist einfach herrlich.


Nach dem erfrischenden Bad geht es zum Rad zurück. Es geht wie vorher auch vorbei an schönen Häusern und Hütte. Was mir auffällt, alles ist super gepflegt. Fahre einen Weg zu früh rechts ab und muss dafür auf meiner geliebten Via Baltica drei Kilometer mehr fahren. Der Weg ist total gerade und es ist, weil die Straße unbefestigt ist und sie etwas ansteigt, saumäßig anstrengend. An der Via Baltica angekommen sehe ich gleich ein Bushaltestellenhäuschen und mache erst mal eine Pause. Zu essen gibt es noch ein paar Weihnachtskekse und zu trinken Wasser. Dann geht es weiter. Warum bauen die hier Straßen ohne Kurven und wenn, dann nur ganz leichte? Es geht 8,5 km auf dieser beschissenen Straße entlang und die geht nur geradeaus. In Salacgriva soll es einen I-Punkt und eine Übernachtungsmöglichkeit geben. Aber als ich durch den Ort durch bin, sehe ich nichts von beidem.  Ich frage eine Frau, ob es hier ein Hotel oder Hostel gibt. Sie schreibt auf einen Zettel „3 km“ und zeigt in die Richtung, aus der ich gerade komme und kein Hotel gefunden habe. Also rauf aufs Rad und die drei Kilometer noch radeln. Dann sehe ich auf der linken Seite ein Schild. „Kapteinu Osta 100m links“. Dann sehe ich es auch. Als ich davor stehe und die Einrichtung sehe, ist mir schon klar, dass diese Übernachtung nicht gerade günstig wird. Ich gehe rein und sage meine Verse auf. Von wegen „A single room for one night“. „Yes, the price is 35,00 LVL (€ 50,00).“ Ich überlege kurz. Bis zum nächsten Ort sind es noch elf Kilometer und ob ich da eine Unterkunft bekomme, weiß ich nicht. Außerdem ist es bereits 17.00 Uhr und ich bin kaputt. „Ok“, sage ich. Sie gibt mir die Karte für das Zimmer. Nachdem ich alle meine Sachen im Zimmer habe, stelle ich mich erstmal fast 20 Minuten unter die Dusche. Danach lege ich mich aufs Bett und ruhe mich aus. Verdammt, mein Knie tut mittlerweile mächtig weh. Vorallendingen wenn ich einige Zeit ruhig gesessen habe und dann laufe, habe ich dass Gefühl, dass da gleich was kaputt geht. Nach drei vier Schritten geht es dann aber. Ich hoffe nur, ich muss die Tour nicht abbrechen. Heute bin ich 54 km gefahren.

 


http://www.kapteinuosta.lv/